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"Die Krisen kosten Kraft"

IHK Vollversammlung fordert ein Belastungsmoratorium

veröffentlicht am 27.05.2022
IHK KRise

IHK-Vizepräsident Dr. Albert Schultz und IHK-Regionalvorsitzende Andrea Thoma-Böck mit Markus Anselment, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben. Foto: Sonnleitner

Memmingen/Unterallgäu (as). Gute Geschäfte, doch schlechte Erwartungen – das ist das Fazit der IHK Konjunkturumfrage vom Frühjahr 2022, welche die IHK-Regionalvorsitzende Andrea Thoma-Böck und IHK-Vizepräsident Dr. Albert Schultz bei einem Pressegespräch vorstellten.

Eigentlich gäbe es ja genügend Gründe für Optimismus: Die Auftragsbücher sind voll, der Arbeitsmarkt robust, die aktuelle Geschäftslage bewerteten 52 Prozent der Unternehmer im Landkreis Unterallgäu und der Stadt Memmingen nach (vorerst) überstandener Corona-Krise als gut. Doch angesichts des Ukraine-Kriegs und seiner geopolitischen und ökonomischen Auswirkungen nähmen die Sorgen zu, erklärte Markus Anselment, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben.

Explodierende Energiepreise

So erwarten 39 Prozent der Befragten, dass sich ihre wirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten verschlechtern wird. Das größte Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung sehen die Unternehmen in den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen. Das Aus für Nordstream 2 habe die Gaspreise durch die Decke gehen lassen. „Die Energiepreise explodieren, obwohl wir derzeit noch gar keinen echten Engpass haben“, erklärt Thoma-Böck. Sie fordert Industriestrompreise, „weil die explodierenden Energiepreise der Inflationstreiber Nummer eins sind.“ (Im März lag die Rate bei 7,3 Prozent, der höchste Wert seit 40 Jahren, Anm. der Red.)

Gasembargo schadet uns mehr als Putin

Sollte ein Gasembargo eintreten, befürchtet Thoma-Böck „eine starke Rezession, verbunden mit extrem hoher Arbeitslosigkeit und Unternehmenszusammenbrüchen. „Ein Gasembargo klingt charmant, schadet aber vor allem unserer Wirtschaft und interessiert Putin nur bedingt“, gibt auch Albert Schultz zu bedenken. „Putin findet genügend andere Abnehmer, doch in Schwaben sind 70.000 Jobs bedroht, wenn der Gashahn zugedreht wird“, erklärt Thoma Böck. „Dann geht hier nichts mehr.“

Immerhin stammen 90 Prozent des in Bayern eingesetzten Gases aus Russland. Während Kohle und Öl auch außerhalb Russlands am Weltmarkt verfügbar sind, ist Gas als Energiequelle kurzfristig nicht zu ersetzen. Aktuell sei der deutsche Gasspeicher zu 44 Prozent gefüllt, erklärt Schultz, bis 1 November seines es 90 Prozent – „um gut durch den Winter zu kommen, sind wir darauf angewiesen, dass niemand den Hahn zudreht".

Rohstoffe fehlen - hohe Preise

Der Krieg in der Ukraine treibt auch die Rohstoffpreise. Der Nickelpreis hat sich vervierfacht, das Edelgas Neon kommt zu 70 Prozent aus der Ukraine. In vielen Branchen fehlen wichtige Vorprodukte wie Palladium, das in Automobilindustrie und Zahntechnik verwendet wird. Auch das Ruß (z. B. für Autoreifen) kommt aus Russland und der Ukraine.

Die weltweiten Engpässe im Frachtverkehr führen zu Preissteigerungen, die auch die Bürger deutlich zu spüren bekommen. Derzeit fürchten die Unternehmer das Abreißen der globalen Lieferketten, nicht zuletzt verursacht durch Chinas Null-Covid-Politik.

"Lehrstellen sind schwer zu besetzen“

Der nächste Punkt auf der Liste negativer Erwartungen ist der Fachkräftemangel. „Die Babyboomer gehen bald in Rente und Lehrstellen sind schwer zu besetzen“, erklärt Schultz. Deshalb gehört zur Liste der Maßnahmen und Forderungen der IHK auch, die Attraktivität der Dualen Berufsausbildung als echte Alternative zu einem Hochschulstudium zu etablieren. „Der Start mit einer Berufsausbildung verbaut keine Karriere“, betont Anselment.

Erstickende Bürokratie

Weitere Forderungen an die Politik neben einer sicheren Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen und resilienten Lieferketten durch neue Partnerschaften auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene ist ein Belastungsmoratorium, das die IHK Vollversammlung am 5. Mai deutschlandweit gefordert hat. Darin wird die Europäische Union aufgefordert, in Anbetracht der Krisen von weiteren Belastungen der Unternehmen abzusehen. Neben "überdrehten Umweltstandards" sei es vor allem die zunehmende Bürokratie, von der die Unternehmer sich erstickt fühlten. „Wir haben viele gute Ideen, sind aber ständig beschäftigt mit Bürokratie und fühlen uns fremdbestimmt“, so Thoma Böck. Die Sorge vor dem Verlust unternehmerischer Freiheit treibe die Wirtschaft um, bekräftigte Albert Schultz.