Der langjährige
Münchner OB Christian Ude und die
ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger äußerten sich zum Thema "Leitkultur". Die Moderation
übernahm Markus Kennerknecht. Fotos: Sonnleitner
Memmingen (as). Seit die Memminger FDP sich im Mai dazu entschloss, den SPD-Kandidaten Markus Kennerknecht zu unterstützen, sind beide Parteien gemeinsam im Wahlkampf für das Oberbürgermeisteramt unterwegs. Auf Einladung der Partner trafen sich nun die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der langjährige Münchner OB Christian Ude zu sozial-liberalen Gesprächen zum Thema "Leitkultur". Die Moderation übernahm Markus Kennerknecht.
Ebenso wie die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger wehrt sich Christian Ude gegen den Begriff der Leitkultur: "Deutschsein als Vorgabe für eine multikulturelle Gesellschaft im Zeitalter der Migration ist eine Zumutung. Allein Toleranz und Respekt entscheiden über Ruhe oder Unzufriedenheit in den Kommunen und Städten", betont der Jurist vor etwa 150 Gästen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Verbindliche rechtliche Grundlage für das Zusammenleben sei allein das Grundgesetz. "Das Grundgesetz und die bayerische Verfassung sagen aus, wie Menschen
miteinander umgehen sollen, welche Werte sie zu dulden und respektieren haben“,
betont Ude auf die Frage
Markus Kennerknechts nach neuen Konzepten für eine heterogene
Stadtgesellschaft.
„Grundrechte sind nicht Mehrheitsrechte“, erklärt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sie seien
vielmehr dazu da, Minderheiten zu stärken und zu schützen. Dies bedeute Offenheit gegenüber jedem Menschen, der in Deutschland lebe und die Bereitschaft zur Verständigung. Eine völkisch
begründete Leitkultur sei "hochbrisant und gefährlich" und käme einem Frontalangriff auf unsere Grundrechte gleich.
“Es steht was auf dem Spiel“, warnt die Juristin.
Multikultur ja, aber keine verschiedenen Rechtsauffassungen
Meinung und Religionsfreiheit gelte für alle Bürger. Die Erziehung zum Deutschsein sei kein Weg zur Integration, so Ude. "Monokulturelle
Zeiten gab es nur von 1933-45", zitiert er die Präsidentin
der Israelitischen Kultusgemeinde München Charlotte Knobloch. „Wir haben mit dem undefinierten Kampfbegriff
der Leitkultur 20 Jahre totgeschlagen, ohne uns in der Sache zu nähern“, beklagt
der ehemalige Präsident des Deutschen Städtetages. Er
betont aber, dass ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Kulturen nicht bedeute,
dass es verschiedene Rechtsauffassungen geben dürfe.
Auf die Frage, was den Zusammenhalt und den Willen zur Mitgestaltung in einer Kommune ausmache, nannten beide Politiker die Teilhabe der Bürger als entscheidend. Dabei gelte es vor allem, die Gruppen einzubeziehen, "die den Weg zur Teilhabe von alleine nicht finden". Die Kommune müsse ein Ort gemeinsamen Erlebens und kein vorgesetztes System sein. "Keine Gruppe ist davor gefeit, rücksichtslos zu sein. Jeder will Tempo 30 vor seiner Haustür", gibt Ude zu bedenken. Ihn entsetzte die zunehmende Rüpelhaftigkeit der politischen Kommunikation - vor allem im Internet. "Wir müssen alle rücksichtsvoller mit unseren Nachbarn umgehen", mahnt Ude.