Memmingen (as). 22 Jahre lang war Bürgermeisterin Margareta Böckh Vorsitzende des Memminger Kinderschutzbundes. Die Lokale unterhielt sich mit ihr über ihr langjähriges Engagement und ihre Erfahrungen.
Frau Böckh, Sie waren Grundschuldirektorin und haben selbst drei Kinder. Wie kamen Sie darauf, sich ehrenamtlich darüber hinaus für Kinder zu engagieren?
Ich komme aus einer Familie, in der soziales Engagement an der Tagesordnung war. In meiner Heimatstadt Limburg an der Lahn habe ich bereits in der Bücherei und in der Pfarrei mitgeholfen und Kindergruppen geleitet.
Und in Memmingen setzten Sie dieses Engagement fort?
Ja, als ich 1977 nach Memmingen-Amendingen kam, engagierte ich mich dort in der Pfarrgemeinde, im Kirchenchor und gründete eine Mundartbühne. 1996 fragte mich der ehemalige Stadtrat Erich Feiner, ob ich als Nachfolgerin von Ruth Würfel die Interessen der Kinder in Memmingen und im Unterallgäu vertreten und den Vorsitz im Kinderschutzbund übernehmen wolle.
Aber eine richtige Struktur für solch ein Amt gab es noch nicht?
Nein, es war ein Sprung ins kalte Wasser. Auf fachliche Füße habe ich den Kinderschutzbund gemeinsam mit Ulrike Gäble-Tietze gestellt. Damals hatten wir nur zwei kleine Räume in der Herrnstraße. Es entstanden Netzwerke und wir konnten in einigen Bereichen Kooperationsverträge mit der Stadt und dem Landkreis schließen. Wir bauten die sozialpädagogische Familienhilfe auf und riefen das Projekt des Begleiteten Umgangs ins Leben. Zwischenzeitlich kamen noch andere Arbeitsfelder dazu: Kids-Point, die Hausaufgabenbetreuung für Grundschulkinder in unseren Räumlichkeiten in der Herrenstraße, das Projekt Familienpaten und - ganz neu - unser Family-Point. Außerdem gibt es nach wie vor, und das schon seit Jahrzehnten, unser beliebtes Spielmobil, das in den Sommermonaten durch die Lande rollt.
Worum geht es beim „Begleiteten Umgang“?
Wir beaufsichtigen Treffen der Kinder mit zerstrittenen Elternteilen. Begleitet werden die Zusammenkünfte, weil häufig Themen wie Gewalt, Suchtkrankheiten oder sexueller Missbrauch im Spiel sind. Der Bedarf ist groß, mittlerweile wird diese Einrichtung von drei Sozialpädagoginnen und ausgebildeten Ehrenamtlichen betreut.
Seit wann gibt es den „Kids Point“?
Vor zwölf Jahren rief der Verein Kinderbrücke Allgäu den „Kids Point“ ins Leben. Wir erstellten gemeinsam ein Konzept. Mittlerweile wird dieses Projekt nur noch in Memmingen fortgeführt. Eine Erzieherin und eine Hauswirtschaft betreuen derzeit acht Grundschulkinder mit Lernschwierigkeiten, überwiegend mit Migrationshintergrund. Einige der Kinder können dank der sehr individuellen Förderung dann die Realschule oder sogar das Gymnasium besuchen.
Wie kann man sich diese Nachmittagsbetreuung vorstellen?
Hier erfahren und lernen die Kinder strukturierte Abläufe wie Tischdecken und gemeinsames Essen, die sie von zu Hause oft nicht kennen. Sie werden bei den Hausaufgaben betreut und spielen gemeinsam. Außerdem stehen kulturelle Veranstaltungen wie z.B., Theater- oder Kunsthallenbesuche auf dem Programm.
Hat der Kinderschutzbund auch das Kinderparlament mit ins Leben gerufen?
Ja, das Kinder- und Jugendparlament hatte bereits seine erste Sitzung. Es macht Sinn, die Kinder frühzeitig mitreden zu lassen. Wir können nicht sagen: „Jetzt bist du 18, jetzt lebst du Demokratie.“ Die Kinder bilden dort Arbeitsgruppen, ihre Anträge sollen zukünftig auch in den Stadtratsgremien behandelt.
Wie steht es um die finanzielle Ausstattung des Kinderschutzbundes?
Finanziell haben wir harte Zeiten erlebt, unsere Mittel sind nach wie vor immer auf Kante genäht. Wir sind auf Spenden angewiesen und auf die Bußgelder, die die Gerichte uns überweisen. Aufgrund der Kooperationsverträge bekommen wir Kostenersatz für den Begleiteten Umgang und das Projekt Familienpaten. Alles andere wird ehrenamtlich geleistet.
Man liest oft über Aggressionen gegen Helfer. Sind die Betreuerinnen des Kinderschutzbundes auch Anfeindungen ausgesetzt?
Ja, die Verantwortung für die Kinder zu übernehmen, ist nicht immer eine dankbare Aufgabe. Manche Eltern sehen uns als Feind. Daher bekommen die Betreuerinnen mehr Schimpfe als Dank. Manchmal muss die Die Polizei eingreifen, wenn die Begleitpersonen von den Eltern nicht respektiert werden.
Aber es gab sicherlich auch positive Rückmeldungen?
Ja! Vor einiger Zeit hat mich eine junge Mutter mit zwei Kleinkindern in der Stadt angesprochen und sich bedankt, weil sie als Schulkind durch mich und meine Mitarbeiterinnen sehr viel Zuwendung und vor allem Stabilität erfahren habe. Ich hatte sie damals beim Umgang mit ihrem Vater begleitet. Sie sagte, dass sie beim Kinderschutzbund gelernt habe, wie wichtig Verlässlichkeit und Zusammenhalt in einer Familie seien. Diese Rückmeldung drückt aus, für was ich 22 Jahre gestanden und gearbeitet habe.
Wie geht es jetzt weiter?
Auf unserer nächsten Jahreshauptversammlung werde ich den Vorsitz an Isabel Salger und Franz Grabenbauer abgeben. Ich bin dann auch nicht mehr im Vorstand, stehe aber weiterhin dem Verein zur Verfügung mit meinem Wissen und meiner Erfahrung zur Seite.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Böckh.
Info: Der „Family Points“ ist ein offenes Café, das an jedem ersten Samstag im Monat von 10 bis 16 Uhr in der Herrenstraße stattfindet. Dort können Eltern und Kinder sich zwanglos treffen. Zwei Betreuerinnen sind vor Ort, es gibt Kaffee und Kuchen.
Übrigens: Der Kinderschutzbund sucht noch Betreuer/innen für das Spielmobil! Interessenten wenden sich an die Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes, info@ksbmm.de oder unter Telefon 08331/ 84858.