
Memmingen (as). Nicht nur für all jene, die bei den derzeit hohen Temperaturen die erfrischende Kühle altehrwürdiger Gemäuer suchen, ist noch bis 27. September im 1835 erbeuten Parishaus die Ausstellung „dem Original getreu...“ zu sehen. Sie zeigt Grafische Blätter des Künstlerehepaares Maria Katharina Prestel (1747-1794) und Johann Gottlieb Prestel (1739-1808) sowie der zeitgenössischen Nürnberger Kupferstecherin Regina C. Schönecker.
Der aus Grönenbach stammende Kupferstecher Johann Gottlieb Prestel und seine Schülerin und spätere Ehefrau Maria Katharina Prestel gehörten zu den angesehensten Künstlern ihrer Zeit. Ihre detaillierten Reproduktionen der Werke großer Meister wie Raffael, Caravaggio, Rubens und Dürer mit Aquatinta waren bei der reichen Bürgerschicht ihrer Zeit gefragt. Und das nicht nur, weil man sein Heim gern mit Nachbildungen großer Meisterwerke schmückte, sondern auch aufgrund ihrer eigenständigen künstlerischen Qualität. Als besonderes Verdienst der Prestels gilt es, Kunst populär gemacht zu haben in einer Zeit, in der die Fotografie als Mittel der Reproduktion noch nicht erfunden war.
Die 1765 erfundene Aquatinta-Technik, auch als Tuschätzung oder Ätzlavierung bezeichnet, ist ein Verfahren der künstlerischen Druckgrafik und gilt als eine der malerischsten Tiefdrucktechniken. Darüber hinaus experimentierte das Paar, das sich 1782 nach zehn Ehejahren trennte, um jeweils eigenständige künstlerische Wege zu verfolgen, gern mit verschiedenen Ätz-, Stich- und Druckverfahren. Besondere Kunstgriffe lieben Familiengeheimnis und waren allenfalls vertrauten Mitarbeitern bekannt.
Radierung der bedrohten Ruinenstadt Palmyra
Unter den Exponaten befindet sich auch eine Radierung auf der die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bedrohte Ruinenstadt Palmyra zu sehen ist. Die Ruinen stammen aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und gehören zum Weltkulturerbe. Johann Gottlieb Prestel schuf die mehrfarbige Radierung „le temple du soleil a Palmyr“ im Jahr 1794. Sie ist einem Gemälde des italienischen Malers Alessandro Moretti nachempfunden und zeigt die Ruinen des Sonnentempels und des Hadrianbogens, ein bedeutendes Ensemble antiker Bauten im Nahen Osten.
Von den insgesamt 600 erhaltenen Grafiken der Prestels befinden sich 200 im Depot der Stadt Memmingen. Die Sammlung Prestel ging im Jahr 2003 aus der Hand des Sammlerehepaars Dr. Walter Prestel und Hildegard Prestel an die Vereinigten Stipendienstiftungen Memmingen über und wird in der MEWO Kunsthalle aufbewahrt. Die Ausstellung konzentriert sich auf die berühmtesten Mappenwerke aus der Werkstatt Prestel: das "Praunsche Kabinett" und das "Schmidtsche Kabinett".
Das Paris-Haus Memmingen ist mittwochs bis samstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.