
Memmingen (dl). Das Berliner A-Cappella-Doppel mit dem Beatboxer und Vokalartisten Sebastian Fuchs und der vierköpfigen A-Cappella-Formation Delta Q im Kulturzelt Grimmelschanze war ein voller Erfolg. Die etwa 220 Zuschauer waren begeistert bei der Sache - auch wenn es darum ging, die vokale Soundkulisse mitzugestalten.

"Pffffvvvrrrm. Pssssschh. MMMM. Klp. Bffff“ - so ungefähr klingt es, wenn Sebastian Fuchs die Beats, der er im Laufe seines Lebens „inhaliert“ hat, wieder ausspuckt. „Multifunktions-mundkunst“ nennt er diesen Vorgang - ein Begriff, den auszusprechen bereits eine gute Vorübung ist.
Mit Lippen, Zunge, Stimme und Luft kreiert der junge Künstler aus Berlin Beats, Rhythmen und Sounds. Nicht etwa nur nacheinander, nein, das geht auch gleichzeitig und im Alleingang. So stimmt der Vokalartist „Yesterday“ an und liefert - sozusagen an den Stimmbändern vorbei - die perkussive Begleitung dazu. Ein komplexes Mundkunstwerk also, das weit über die vokale Imitation der Instrumente eines Schlagzeuges wie High Hat und Bassdrum, also Beatboxing, hinausgeht .
Wie so ein Kunstwerk entsteht, führt Fuchs dem Publikum im Zelt anhand eines poetischen "Sound-Alphabets" vor. Jeder neue Buchstabe kreiert einen zusätzlichen Laut bis der Vokalkünstler mit jeder Faser seines Körpers summt und sirrt, brummt und zischt, klackert und knarzt, tickt und klickt, quietscht und quiekt, ploppt, schnaubt, grunzt und grollt.
"Phonetische Interpunktion"
Baby wickeln, Kaffee kochen – all das kann er ohne Worte und wenn er Worte verwendet wie bei seiner Lesung aus Goethes „Werther“, werden die Satzzeichen zum perkussiven Ereignis.
Zum Abschluss seines 30-minütigen Auftritts begibt sich Sebastian Fuchs mit einem Ausschnitt aus seinem Soloprogramm „Radio im Kopf“ auf Sendersuche. Beim „Tuning“ intoniert er die Ausschnitte der gestreiften Programme diverser Sender, das geht von der Werbung bis zum Hörspiel, von der Arie bis zum arabischen Gebet - Knirschen, Summen und Rauschen inbegriffen.
"Mundmukke" mit Delta Q

Auf ein Aufwärm-Programm für das Publikum – wohltuend in dem, nach einem verregneten Tag, kühlen Kulturzelt – folgt ein starker soulig-bluesiger Auftakt mit „Rolling deep“, dem Adele-Cover, für dessen mediale Gestaltung die erst seit 2012 bestehende Formation mit dem „Choir Video Award ausgezeichnet wurde. Und hier hört man schon die Stärken der Formation: Warmer Sound und perfekt aufeinander abgestimmte Stimmen, absolut präzise Phrasierung und ein feines Laut-leise Tuning zeichnen die „Mundmukke“ der Vokalband aus. Und bei all dieser Präzision sind die Jungs locker und gut drauf und produzieren einen Sound, der das Publikum im Zelt glücklich macht.
Das Repertoire ist auf Vielfalt ausgelegt und reicht von Pop bis Hip Hop. Die Jungs spielen auch gern mit Melodien und Rhythmen begeben sich mit der „Ode an die Freude“ auf eine humoristische Wanderung durch die Musikstile vom Choral bis zum Raggae. Und was bietet mehr Abwechslung als ein Medley? Ihr „Silvester-Cuntdown-Medley“, besteht aus Songs mit absteigenden Zahlen im Titel und führt von „1.000 Mal berührt“ über „500 Miles“ und „Route 66“ bis zu „der einen“ („She’s the one“). Eine große Stimmrange erreicht die Truppe auch dank der Fähigkeit von Countertenor Sebastian Hengst, schwindelerregende Höhen zu erklimmen. Sogar zum „Chandelier“ von Sia (in Originaltonart) kann er sich aufschwingen.
Doch die Vier haben nicht nur Cover-Songs, sondern auch Selbstgemachtes wie den „Heuschnupfensong“ im Gepäck - zu humorvoller vokalakustischer Untermalung läuft die Nase im Latino-Rhythmus. Als musikalische Botschafter aus Berlin, der Stadt des Techno, darf natürlich auch das Elektro-Party-Feeling nicht fehlen („We need more beats in Moabit“).
Leopold Hoepner der in Memmingen zum letzten Mal auf der Bühne zu sehen war, will sich in Zukunft aufs Produzieren und Arrangieren konzentrieren. Und dass er das drauf hat, zeigen die pfiffigen Arrangements der Songs und Lieder fast jeglicher musikalischer Couleur, die an diesem Abend durchs Zelt klangen. Einzig an ihren zuweilen etwas „verlaberten“ Moderationen und den charmanten, aber etwas „hausgemachten“ Choreographien könnten die Jungs noch ein bisschen arbeiten. Ansonsten: Große Kino!