
Memmingen (as). "Bilder sehen, Bilder verstehen – Perspektiven wechseln", unter diesem Motto sind bis 17. Mai im Antonierhaus Memmingen die Werke von Kunstschaffenden aus ganz Deutschland zum Thema "Altern mit Demenz" zu sehen. Die Diakonie und das Kulturamt Memmingen holten die 2009 von der Diakonie Hessen und Nassau initiierte Ausstellung für einen Monat ins Memminger Antonierhaus.
"Wir sind gefordert, Menschen eine Stimme zu geben, die ihre Interessen nicht mehr selbst vertreten können" - nach Eröffnung der Ausstellung durch Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger erklärte Stefan Gutermann stellvertretend für den Vorstand des Diakonischen Werks Memmingen, warum es ihm und den Mit-Organisatoren Alexander von der Marwitz (Diakonie Memmingen) und Dr. Hans-Wolfgang Bayer (Kulturamt Memmingen) ein großes Anliegen war, die Ausstellung in Memmingen zu zeigen. "Dementiell Erkrankte brauchen diese Art von Lobbyarbeit", so Gutermann, der darauf hinwies, dass Demenz als "Gespenst des Alters" kein flüchtiger Spuk, sondern eine ganz konkrete gesellschaftliche Herausforderung ist.
Drei Millionen Demenzkranke bis 2050

Gegenwärtig leben in Deutschland etwa 1,5 Millionen Demenzkranke. Jahr für Jahr treten mehr als 300 000 Neuerkrankungen auf. Wenn die medizinische Forschung kein Mittel dagegen findet, werden im Jahr 2050 etwa drei Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland leben. "Wir müssen umdenken, um die Auswirkungen auf das Gemeinwesen zu bewältigen", plädiert Gutermann. "Gedächtnisverlust und Hilfsbedürftigkeit sind nicht nur Krankheitssymptome, sondern Zustände an den Rändern des Lebens, die zum Menschsein dazugehören."
Mit der Ausstellung suche man neue innovative Formen der Öffentlichkeitsarbeit, erklärte Kurator Andreas Pitz von der Stiftung der Diakonie Hessen. In der zeitgenössischen Kunst sieht er hierfür ein ideales Medium, auch wenn das Themenfeld Neuland für die Kunstschaffenden aus ganz Deutschland gewesen sei, die sich in ihren Werken mit der Demenz auseinandersetzten.
Ausstellung zeigt auch Werke von Betroffenen

Da die Ausstellung die Möglichkeit bieten will, sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern, sind auch Bilder zu sehen, in denen die persönliche Betroffenheit als pflegender Angehöriger zum Ausdruck kommt. Und Werke von Betroffenen: In erstaunlich ausdrucksstraken und dynamische Bildern gewähren demenzkranke Kunstschaffende und Künstler Einblicke in ihre Welt. Beispiele hierfür sind der Sonnenuntergang von Herbert Zangs (1924-2003), einem Weggefährten von Joseph Beuys, und die Acrylbilder von Eberhard Warns (1927-2007), ev. Pfarrer und Leiter der Behinderteneinrichtung Bethel in Bielefeld. Nach einem Schlaganfall litt er an Alzheimer-Demenz und fand dennoch zu einer eigenen Ausdrucksform in den 240 Bildern, die in seinen letzten Lebensjahren entstanden. „Dies beweist, dass ein Leben trotz Demenz möglich ist“, erklärte Pitz, der durch die Ausstellung führte.
Musikalisch begleitet wurde die Vernissage vom Blues-Trio "Blue Ball".
Info: Die Diakonie Memmingen als Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche setzt sich im Dekanat Memmingen seit fast 140 Jahren für Menschen ein, die in unterschiedlichen Lebenslagen Hilfe benötigen. "Wir sorgen mit individuellen Lösungen dafür, dass das Leben für Betroffene und ihre Angehörigen weiterhin zu Hause gelingt“, erklärt Inge Reichart, Vorstand der Diakonie Memmingen.
Die Ausstellung „Kunst trotz(t) Demenz“ wird gefördert von den Stadtwerken Memmingen, der VR-Bank Memmingen eG, der Siebendächer Baugenossenschaft eG und der GEFRO Reformversand Frommlet KG.
Führungen durch die Ausstellung bietet die Kunsthistorikerin Andrea Himmelsbach jeden Dienstag um 14.30 Uhr (21. und 28. April, 5. und 12. Mai) und an den Sonntagen (19. April und 3. Mai), jeweils um 11 Uhr an. Eine Führung für pflegende Angehörige mit Andrea Himmelsbach und Irene Richter, Diakonie Memmingen, findet am 7. Mai, um 14 Uhr, statt.
Das Programm zur Ausstellung
Im Rahmen der Ausstellung finden folgende Vorträge zum Thema "Demenz" statt:
"Demenz - Historische und Religiöse Gesichtspunkte", 23. April, 20 Uhr im Antoniersaal. Vortrag von Prof. Dr. Heiner Aldebert, Tutzing, in Zusammenarbeit mit dem evangelischen Bildungswerk Memmingen.
"Demenz als Schicksal", 29. April, 19.30 Uhr, Kleiner Saal der Stadthalle. Vortrag von Oberarzt Raimund Steber, Klinik für Psychiatrie Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Memmingen, in Zusammenarbeit mit der vhs Memmingen. Eintritt: 3 Euro.
"Selbstbestimmung durch Vorsorge-Vollmacht und Patientenverfügung", 5. Mai, 19.30 Uhr, Antoniersaal. Vortrag von Notar Arnold Voran in Zusammenarbeit mit der vhs Memmingen. Eintritt: 6 Euro.
"Demenz verstehen - Wie die medizinische Betreuung von Menschen mit Demenz gelingen kann", 11. Mai, 19.30 Uhr, Kleiner Saal der Stadthalle. Vortrag von Dr. med. Bernd Meyjohann, Geriatrie der Illertalklinik Illertissen, Eintritt: 3 Euro.
Weitere Veranstaltungen:
"An ihrer Seite" - Film im Kaminwerk, 7. Mai, 20 Uhr (Vorankündigung folgt).
"Vergiss mein Ich" - Musikalisch-literarische Reise durch die Welt von demenzkranken Menschen in Zusammenarbeit mit dem Caroline-Reineck-Haus Memmingen. Musikalische Gestaltung durch die Mindel-Harmonists. Eintritt: 6 Euro.
"Nebelwelten" - Autorenlesung in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Osiander, Maximilianstraße 31/2. Autor Peter Wissmann, Demenz Support Stuttgart, liest über Abwege und Selbstbezug in der Demenz-Szene.
"Was bleibt" - Zum Abschluss der Ausstellung findet am 17. Mai um 10 Uhr ein Gottesdienst mit Pfarrerin Katharina von Kietzell in der Kinderlehrkirche statt.
Flyer zum Programm liegen im Antonierhaus aus und sind beim Diakonischen Werk Memmingen erhältlich, Infos unter Telefon 08331-7580.