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Bei 32 Grad im Rollstuhl durch die Stadt

veröffentlicht am 05.07.2017
Behindertenbeirat

Bei einer Exkursion durch die Innenstadt mit Stadträten und Mitgliedern des Behindertenbeirates erprobt Oberbürgermeister Manfred Schilder im Rollstuhl, wie behindertenfreundlich Memmingen ist. Fotos: Peter Engstle

Memmingen (dl). Wie behindertenfreundlich Memmingen ist, erprobten Oberbürgermeister Manfred Schilder und Vertreter des Stadtrates bei einer Exkursion durch die Innenstadt.

Seit seinem Amtsantritt ist Oberbürgermeister Manfred Schilder lange voraus ausgebucht. Doch der Termin für den Stadtspaziergang mit dem Behindertenbeirat steht dennoch ganz oben auf der Liste. „Nur wenn man es wirklich am eigenen Leib erlebt, fallen einem Dinge auf, über die man sonst einfach hinwegsieht“, vermutet Oberbürgermeister Schilder, während er sich mit „seinem“ Rollstuhl am Nachmittag bei über 30 Grad und strahlendem Sonnenschein über das beschwerliche Pflaster am Hallhof schieben lässt. Dabei bekommt er eine grobe Vorstellung davon, wie es für Rollstuhlfahrer ist, den Wochenmarkt zu besuchen, wenn der Hallhof als Ausweichmöglichkeit dient.

Gerade als sich die Gruppe am Weinmarkt über die barrierefrei umgebaute Bushaltestelle unterhält, kommt ein sogenannter Niederflurbus. Der nette Busfahrer erklärt, trotz Zeitnot, wie Rollstuhlfahrer an dieser Haltestelle mit Hilfe einer ausklappbaren Rampe den Bus benutzen können. Die Vorsitzende Verena Gotzes weist darauf hin, dass im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention der Gesetzgeber eine Zielbestimmung im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verankerte. „Bis 2022 sollte die Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr erreicht werden“, so Gotzes.

Blindenorientierung wird optimiert

In der Fußgängerzone angekommen, erklärt die Vorsitzende des Behindertenbeirates, dass nun „die Behinderungsart gewechselt werden darf“. Mit einem Langstock und einer speziellen Brille, die die Netzhauterkrankung „Diabetische Retinopathie“ imitiert, erkunden der Oberbürgermeister und die Stadträte die dortige Blindenorientierungshilfe. Prüfend lassen sie den Langstock über das Pflaster gleiten. Dass die Orientierungshilfe in den Zwischenbereichen immer wieder große Lücken aufweist, stellte Oberbürgermeister Schilder bald fest. Im Nachgang zur Sitzung erfahren wir, dass diese Lücken bald durch zusätzliche Fräsungen ergänzt werden.

Am Marktplatz angekommen, endet die Orientierungshilfe. „Und jetzt?“ fragt der „fast blinde“ Oberbürgermeister Schilder die Betroffene Yvonne Burkhardt, deren Langstock er am heutigen Tag ausleihen durfte. „Trauen Sie sich allein überhaupt in eine komplett fremde Stadt?“. Sichtlich beeindruckt zeigt sich Oberbürgermeister Schilder als Burkhardt davon berichtet, wie sie sich mit ihrem Blindenhund auch in fremden Städten zurechtfindet.

Ein weiteres wichtiges Thema, das an diesem Nachmittag angesprochen wird, sind Zukunftsmodelle für bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum.

„Wir gestalten unsere Stadt“

Bei der anschließenden Sitzung des Behindertenbeirates gab die Vorsitzende Verena Gotzes einen kurzen Rückblick über die Arbeit des Beirats im vergangenen Jahr. Unter anderem unterstützt der Behindertenbeirat in Kooperation mit der Seniorenfachstelle seit einigen Jahren die Aktion zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Das diesjährige Thema lautete „Wir gestalten unsere Stadt“. Am Informationsstand äußerten auffallend viele Passanten, dass sie sich mehr Sitzgelegenheiten in der Stadt wünschen. Das nahm der Behindertenbeirat zum Anlass, einen Antrag für „Mehr Bänke im öffentlichen Raum“ an den Oberbürgermeister zu formulieren, den die Behindertenbeauftragte Anna Karrer bei der Sitzung vorstellte.

Neben diesem neu gestellten Antrag kamen auch die ausstehenden Anträge des Behindertenbeirates zur Sprache. Unter anderem wurde ein barrierefreier Umbau des Freibades besprochen und der beim Stadtspaziergang besprochene barrierefreie ÖPNV.

Positiv hebt die Vorsitzende hervor, dass der Aufzug am Rathaus endlich in Betrieb genommen werden konnte und eine Stelle für die Umsetzung des kommunalen Aktionsplans geschaffen und mit Anna Karrer besetzt wurde, die gleichzeitig auch das Amt der Behindertenbeauftragten übernimmt.  

Bei der Sitzung bedankte sich der Behindertenbeirat herzlich bei Herrn Mäuerle für die tolle Zusammenarbeit seit Gründung des Beirates.