Die Lokale Memmingen
Gefro AOK Enerix Brommler Golfclub Memmingen Innoverta Landestheater Schwaben Cineplex Kaminwerk Memmingen FC Memmingen Rechtsanwalt Philipp Hacker Radio AllgäuHit

"Bauen ohne Risiko?" - Schlagkräftige Argumente gegen Bauvorhaben Amendingen Nord

veröffentlicht am 10.12.2013

Fotomontage Neue Priel Die Fotomontage zeigt, wie das Gebiet nordöstlich des Einödweges nach der Bebauung aussehen würde. Repro: privat

Memmingen (as). Etwa 130 Anlieger und Interessierte, darunter auch Bürgermeisterin Margareta Böckh und sechs Stadträte, kamen zur Informationsveranstaltung der Interessensgemeinschaft (IG) Amendingen Nord im Hotel Hiemer. Thema war die geplante und umstrittene Bebauung am nördlichen Ortsrand „Wohnen im neuen Priel“. Wolfgang Hesser, Sprecher der IG Amendingen Nord, begründete in seinem Vortrag „Bauen ohne Risiko?“, warum die IG die Wohnbebauung am Ortstrand ablehnt. In einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren sollen hier sechs Wohnblocks mit 80 Wohneinheiten auf vier Geschossen entstehen.

Bebauungsplan Bebauungsplan Einödweg Nord-Ost. Quelle: Baureferat Memmingen

Wolfgang Hesser, Anwohner und Verkehrsexperte, bezog sich in seinem sehr beifällig aufgenommenen Referat auf das Gutachten von Dr. Georg Ulrich aus Leutkirch vom September 1998, ein weiteres Gutachten von 2001, auf den Flächennutzungsplan und das Baugesetzbuch. Ausgehend von dem städtebaulichen Aspekt, dass sechs Wohnblocks am Stadtrand keine architektonisch sinnvolle Bebauung eines Ortsrandes darstellen und das ländlich geprägte Ortsbild stören, kam Hesser bald zum wesentlichen Punkt seiner Kritik an dem Bauvorhaben: die Bodenverhältnisse.

Kritische Bodenverhältnisse

Wie aus dem ausführlichen Gutachten von 1998 hervorgehe, sei der Untergrund nordöstlich des Einödweges aufgrund gespannter Grundwasserverhältnisse (das Wasser drückt gegen die Torfdecke) „extrem problematisch“, so Hesser. Auch eine Versickerung des Niederschlagswassers auf dem Grundstück sei in diesem Gebiet nicht zuverlässig möglich, so dass dieser Wasseranfall wohl über die Kläranlage geleitet werden müsse. Weiterhin stehe zu befürchten, dass sich die Gebäude der bestehenden Nachbarbebauung absenken, wenn das Grundwasser infolge der Baumaßnahme entspannt würde. Dieser Prozess könne sich über Jahrzehnte hinziehen und die angrenzenden Altbaugebiete in Mitleidenschaft ziehen. Die Hausanschlüsse für Gas, Wasser, Elektrik oder Abwasser könnten bereits bei einer Absenkung der Umgebungsbebauung um wenige Zentimeter schwer beschädigt werden. Zudem sei eine Aufschüttung des Geländes nötig, da neben einer Unterkellerung der Bau einer Tiefgarage für ca. 100 Autos vorgesehen ist.

Haftung unklar

Hesser-IG-Amendingen Wolfgang Hesser, Sprecher der IG-Amendingen. Foto: as

Bedenklich sei außerdem, dass der Investor von Verkaufspreisen unter 3.000 Euro pro Quadratmeter ausgehe, eine solide Gründung der Gebäude aber sehr aufwendig und teuer sei. „Da stellt sich die Frage, wo gespart werden soll. Vermutlich im nicht sichtbaren Bereich“, meinte Hesser. Doch wer haftet im Schadenfall? Auch hier vermisst Hesser eine verbindliche Regelung. "Wer garantiert, dass es die neu gegründete Baugesellschaft KRW GmbH & Co. KG noch gibt, nachdem das Bauvorhaben abgewickelt ist?", fragte der Referent. Seiner Ansicht nach sei auch der Stadtrat haftbar, wenn er sich nicht an geltendes Baurecht hält.

Anträge auf eine Bebauung des Gebietes wurden bereits Ende der 90er Jahre vom Bausenat in der eingereichten Form abgelehnt. Eine 2006 im Prinzip genehmigungsfähige Vorlage kam  aufgrund der hohen Gründungskosten Einzelhäuser nicht zur Ausführung. Seit November 2013 existiert ein für die Öffentlichkeit nicht zugängliches Ergänzungsgutachten, beauftragt vom Eigentümer WS Schmid nach Gründung der IG. Den Inhalt kennt nur der Bausenat.

Kein Verkehrskonzept

Weiter kritisiert Hesser, dass es kein Verkehrskonzept gebe – weder für die 80 neuen Wohneinheiten noch für den Baustellenverkehr. Abgesehen von fehlenden Parkmöglichkeiten könne, laut Gutachten, der Einödweg nicht mit schweren Baufahrzeugen befahren werden. „Wer kommt für die Folgen der Höchstbeanspruchung der Straßen auf? Und falls eine separate Erschließungsstraße gebaut wird - wer bezahlt diese?“, gibt der Referent zu bedenken. Der Baustellenverkehr in der vom Investor geschätzten Bauzeit von zwei bis drei Jahren gefährde den Schulweg von Kindern. Zudem sei ein Kindergarten in der Nähe. Bedingt durch den (bisherigen) Naherholungscharakter des Bereiches (hier verläuft der Radwanderweg Bayerisch-Schwäbisch Roth) seien hier zudem viele Radler und Spaziergänger unterwegs.

Genehmigungsverfahren „mit Macht durchgepeitscht“

Er habe kein Vertrauen in das Vorhaben, bekannte Hesser, der zudem befürchtet, dass das Bauvorhaben weitere Umgebungsbebauung nach sich zieht. Mit Stadtverwaltung und Stadträten habe er schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich will nicht, dass der Stadtrat sagen kann ‚das haben wir nicht gewusst‘“, erklärt der Anwohner. Auffallend sei das atemberaubende Tempo, mit dem das Genehmigungsverfahren im Bausenat „mit Macht durchgepeitscht“ wurde. Dabei kannten die von ihm befragten Bürgervertreter den Inhalt des Gutachtens nur in von der Verwaltung genannten Auszügen.

Kritik an Abläufen im Stadtrat

"Wir bekommen die Dinge, die wir unterschreiben, teilweise nicht vorgelegt“, erklärte hierzu der ödp-Stadtrat Prof. Dr. Dieter Buchberger lakonisch. "Die Abläufe im Stadtrat sind schon manchmal eine Zumutung", bekannte auch Corinna Steiger (Grüne). Bürgermeisterin Margareta Böckh wies diese Aussagen als unzutreffend und „populistisch“ zurück. "Wir befinden uns erst in der Informationsphase, der Stadtrat hat noch nicht zugestimmt", bemühte sich Prof. Schwarz (CDU), die Bedenken zu zerstreuen.  Werner Häring (SPD) glättete ein wenig die Wogen. Er lobte Hesser für seine Initiative und versprach: „Wir nehmen Ihre Bedenken sehr ernst."

IG-Mitglied Claudia Flemming und Wolfgang Hesser baten alle Anwesenden, die zwei- bis dreiwöchige Einspruchsfrist zu nutzen, die voraussichtlich ab 6. Januar beginnt.