Drei Bewerber um das Amt des Stadtoberhauptes stellten sich den Fragen der beiden Moderatoren. Von links: Markus Raffler, Jan Rothenbacher, Krimhilde Dornach, Manfred Schilder, Maike Scholz. Foto: Wolfgang Radeck
Memmingen (sg). Auf der Bühne im voll besetzen Landestheater fand die letzte Podiumsdiskussion vor den OB-Wahlen am 5. März statt. Krimhilde Dornach (ÖDP), Jan Rothenbacher (SPD) und Manfred Schilder (CSU) konnten ihr Wahlprogramm ein letztes Mal auf die Bühne und auf den Punkt bringen – und vielleicht auch mit ihrer Persönlichkeit noch Stimmen gewinnen.
Der Sessel von Nur Sensoy blieb leer, weil sie einen Artikel über ihre Partei als unfaire Berichterstattung empfunden habe. Dies hat sie den Moderatoren des Abends, Markus Raffler (Allgäuer Zeitung) und Maike Scholz (Memminger Zeitung) kurz vor Beginn der von der Memminger Zeitung veranstalteten Diskussion mitgeteilt.
Zu Beginn gab bereits die Hälfte des Publikums im Saal an, schon zu wissen, wen sie am 5. März wählen wird. Und vielleicht wären es noch mehr gewesen, aber aufgrund der begrenzten Anzahl an Plätzen mussten viele interessierte Memminger und Memmingerinnen unverrichteter Dinge wieder gehen.
Altes und neues Klinikum
Es ging an „harte Memminger Themen“, so Raffler, der zunächst nach der Zukunft des alten Klinikums fragte. Dornach möchte möglichst viel von der Substanz erhalten, ihr schwebt ein Hochschulstandort für Gemeinwohlökonomie vor und auch Ausbildungen im Bereich Pflege und Pädagogik würde sie dort ansiedeln. Auch Schilder möchte „so viel wie möglich erhalten“. Als amtierender Oberbürgermeister hat er das Gelände bereits von Fachleuten beurteilen lassen und es sei klar: Um einen Teilabriss komme man nicht rum. Rothenbacher sieht eine Chance in einem für sich stehenden Quartier, das an diesem Standort geschaffen werden könnte, mit Wohnungen, Nahversorgung und medizinischer Versorgung.
Das neue Klinikum soll mit einer stolzen Summe von 430 Millionen Euro errichtet werde. 100 Millionen Euro davon trägt die Stadt selbst. Was bedeutet diese Summe für andere Projekte und Investitionen, wird dann vieles erstmal hinten angestellt? Schilder gab zu, dass es ein „Jahrhundertprojekt“ ist und „mit spitzem Bleistift gerechnet werden muss“ – und fügte hinzu, dass auch Fremdkapitalfinanzierung, sprich Schulden, notwendig sein werden. Andere Projekte seien deshalb aber nicht auf Eis gelegt. Priorität haben für Schilder ebenso die Sanierung von Schulen, die Umsetzung von erarbeiteten Konzepten (Klimaschutz, Mobilität) und der Neubau des Kombibades. Auch Rothenbacher sieht keine Konkurrenz zu anderen Projekten, vorrangig nannte auch dabei die Sanierung der Schulen (BBZ, Bismarckschule, Ebertschule). Dornach sieht eine Chance in der Nutzung von Förderprogrammen, aber auch sie hält Schulden für unumgänglich. An dieser Stelle intervenierte Schilde und betonte, dass bereits Förderprogramme gefunden und genutzt wurden und werden. Neben dem Klinikum haben für Dornach ebenfalls Schulen, der Studiengang Gemeinwohlökonomie und eine „Überraschung“ im Kulturbereich Priorität, wenn es um den Haushalt geht.
Wohnungsmarkt
Bei der Frage wie viele Wohnungen Memmingen in den nächsten fünf Jahren brauche, nannten Schilder und Rothenbacher eine Summe von 500 bis 700, Dornach sogar 1000. Wie und wo diese entstehen sollen, wurde allerdings nicht weiter diskutiert.
Rosenviertel
Ein bekanntes Thema, zu dem es bereits viele Ideen, viel Diskussion und viel Kritik gab in den vergangenen Jahren. Ein Thema, das der neue Oberbürgermeister oder die neue Oberbürgermeisterin angehen muss. Dornach und Rothenbacher kritisierten zunächst einstimmig die mangelnde Bürgerbeteiligung und fehlende Transparenz bei diesem Projekt. Rothenbacher möchte „Gas geben“, aber mit einem guten Plan und vor allem auch die Bürger aktiv mitnehmen. Dornach erwähnte den „runden Tisch der Vernunft“, an dem sie in diesem Fall Bürger, Investoren und Politiker zusammenbringen würde, um gemeinsam eine Lösung zu finden und umzusetzen. Schilder gab zu, dass es zunächst zu wenig Beteiligung der Bürger gab und ein erster Anlauf scheiterte. Der Coronazeit geschuldet, aber auch als Chance, wurden die Menschen daraufhin online befragt und konnten sich aktiv beteiligen. Auf Basis der Auswertung laufen derzeit Planungen und Gespräche mit Investoren, für Herbst 2023 sei eine öffentliche Bürgerbeteiligung geplant.
Leerstände
Die Leerstände in der Memminger Innenstadt sind bekannt und prägnant. Was würden die Kandidaten und die Kandidatin tun, um den Handel zu stärken? Dornach würde zunächst die Leerstände festmachen und Eigentumsverhältnisse klären, Fördermittel auftreiben und schließlich auf Basis eines „runden Tisches der Vernunft“ auch Satzungen überdenken und ändern. Schilder möchte die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt verbessern. Er appelliert aber zugleich an jeden einzelnen umzudenken, das eigene Kaufverhalten zu hinterfragen. Schließlich ist ihm ein Dialog mit den Unternehmern wichtig, um gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Konkret werde derzeit bereits die Satzung für Außengastronomie überarbeitet, so Schilder. Auch Rothenbacher sieht die Überarbeitung der Satzungen als wesentlich an. Außerdem strebt er Stadtbegrünung und eine autofreie Innenstadt an. In Sachen Leerstände würde er zunächst das Gespräch mit den Besitzern suchen.
Hochschulstandort
Sollte Memmingen als Hochschulstandort ausgebaut werden oder doch lieber nicht zu stark in Konkurrenz mit umliegenden Hochschulen und Universitäten treten. Rothenbacher, der insgesamt gut und fundiert informiert auftrat, blickte auf die 50 Studenten im Bereich Systems Engineering – für diesen Studiengang ist Memmingen bereits Außenstelle der Hochschule Kempten. In Relation zu der dreistelligen Abiturientenzahl pro Jahrgang sei das verschwindend wenig. „Ich finde es schade, dass wir Menschen bis zum Abitur bringen und sie dann weggehen“, so Rothenbacher. „Es braucht kein Prestigeprojekt in Memmingen.“ Vielmehr sieht er eine Chance in der Kooperation mit den Hochschulen Kempten, Augsburg und Ulm – und noch weiter gedacht auch mit Blick darauf, was regionale Unternehmen brauchen. Die Bereiche Pflege, Logistik, Maschinenbau, Elektrotechnik, soziale Arbeit und Pädagogik hält Rothenbacher als Grundspektrum für sinnvoll. Mit seinen Ideen erntete er durchaus Applaus. Schilder betonte, dass dieser Ansatz der Kooperation mit den Hochschulen bereits geplant sei. Seine Vision ist ein Gesundheitscampus am Standort des neuen Klinikums. Außerdem ist es ihm sehr wichtig auch die berufliche Bildung wieder mehr im Blick zu haben. „Da eine tun und das andere nicht lassen“, stimmte Rothenbacher zu und auch Dornach betonte den Wert des Handwerks. Sie stellte zudem nochmals ihre Vision eines Hochschulstandortes für Gemeinwohlökonomie heraus – in Geißlingen und Nürtingen gebe es ähnliches bereits.
Am Ende ergab das Stimmungsbild unwesentlich mehr Entschlossene in Sachen Wahlentscheidung. Es bleibt spannend.