Die Lokale Memmingen
Gefro AOK Enerix Brommler Golfclub Memmingen Innoverta Landestheater Schwaben Cineplex Kaminwerk Memmingen FC Memmingen Rechtsanwalt Philipp Hacker Radio AllgäuHit

Aberwitzig, schrill, rasant und originell: König Ubu im Stadttheater

veröffentlicht am 19.06.2014

BU Frisch gesattelt: Von Mutter Ubu (Anke Fonferek) angestachelt, bricht König Ubu (Matthias Wagner) auf in den Kampf gegen den russischen Zaren (Fridtjof Stolzenwald). Fotos: Landestheater Schwaben/ Forster

Memmingen (dl). LTS-Intendant Walter Weyers inszeniert Alfred Jarrys Verballhornung der Machthaber dieser Welt als furiose Arena voller Narren. Explosiv wird die Mischung aus derbem Klamauk, kindischer Albernheit und obszönem Aberwitz durch das überaus engagierte, einsatzfreudige Spiel des Ensembles und die beiden Hauptdarsteller Anke Fonferek und Matthias Wagner, die ihre exzentrischen Rollen gnadenlos glaubwürdig und geradezu lustvoll verkörperten. Eine abendfüllende Schau sind zudem die von Sabine Manteuffel entworfenen bizzaren Kostüme und Masken der Hauptdarsteller.

Die Wände des Publikumsraumes sind mit Graffiti beschmiert. Weiß geschminkte und gekleidete Gestalten fetzen auf Rollschuhen über die Bühne. Diese mündet in ein Rondell, das an eine Zirkusarena erinnert. Zwei dieser Gestalten, nämlich Vater und Mutter Ubu, sind so grotesk-hässlich zugerichtet, dass man nicht weiß, ob man staunen, sich fürchten, weinen oder lachen soll. Und dieses Gefühl bleibt dem Zuschauer erhalten. Denn Walter Weyers' Inszenierung macht aus dem burlesken Geschehen nicht einfach eine Lachnummer. Zwar dominiert der alberne Klamauk, der den Königshof in einen Kindergeburtstag verwandelt - doch seine gruseligen Clowns haben auch ihre tragischen Seiten.

"Schöne Schoiße!"

BU König Ubu (Matthias Wagner) moderiert das Spektakel in der Manege.

Schließlich geht es um missbrauchtes Vertrauen, Hab- und Machtgier, Neid, Intrigen, Meuchelmord und Rache. Doch was so klingt wie die Zutaten für eines der großen Königsdramen von Shakespeare, wird in der grotesken Farce des französischen Schiftstellers Alfred Jarrys verquirlt zu einer „schönen Schoiße“ – ein Ausdruck, den der auf seine primitiven biologischen Grundfunktionen beschränkte, selbst ernannte König Ubu auf alles anwendet, was ihm widerfährt. Er, der doch erhaben sein sollte, erinnert in seiner gebeugten Haltung und mit seinem monströsen Gummi-Fettwanst bestenfalls an eine verschlagene Beutelratte. Seine Worte bewegen sich auf dem Niveau seiner Fürze, sein Hirn ist ihm in den Bauch gerutscht.

Der ebenso feige wie machtlüsterne Ubu wird von seiner, ebenso klugen wie ordinären, „Zaubermaus“ (Anke Fonferek) angestachelt, den König von Polen zu meucheln und seinen unterhosenbekleideten „Arsch“ auf den Thron zu hieven. "Pass üff, Mudda" - dass beide sächseln, verstärkt die Komik der Figuren. Auf dem Thron, genauer gesagt: auf der Klobrille seines fahrbaren Toilettenstuhles, sitzt einstweilen noch der König von Polen (strahlt noch in Windeln Würde aus: Peter Höschler) - nackt bis auf eine XXL-Windel, Turnschuhe, Socken und dicker Clowns-Schminke und brabbelt mehr oder minder sinnloses Zeug.

"Brot und Spiele"

Um sich selbst zu bereichern und ungehindert agieren zu können, lässt der frisch papiergekrönte Ubu erst einmal Adel, Richter und Finanzbeamte hinrichten bzw. in Schubkarren in den Kerker (dargestellt durch ein Gitterbett) transportieren. Die Gier nach Reichtum und Macht entstellt – doch auch „das Volk“ kommt nicht besser weg. Dürstend nach „Brot und Spielen“ in Form von (Geld-)Geschenken und Krieg, genießt es das blutige Schauspiel - bis der König die Steuern erhöht.

Vater Ubu, der Möchte-gern-König, demonstriert eine Mischung aus Anarchie und Tyrannei, die an die Zeiten der französischen Revolution erinnert. Doch Weyers hat auch Anspielungen auf moderne Politiker eingebaut: So hängt der Zar dem Königsmordrächer Boreslas (Josephine Bönsch) eine Karikatur von Putin um wie einen Orden.

„Die Welt ist eine eitle Pestbeule“

Auch die Rückseite der Bühne ist bestuhlt. Hier kann man ein wenig hinter die Kulissen schauen. Das passt zur Inszenierung, denn die Darsteller fallen gern aus der Rolle und reden „privat“ mit den Zuschauern. Das betont den Vorführcharakter - doch gleichzeitig wird die Distanz zwischen Protagonist und Rolle wieder negiert, denn die Darsteller geben sich eher derb.

„Die Welt ist eine eitle Pestbeule“ - Während Brecht mit seinem epischen Theater noch auf die Moral von der Geschicht‘ abzielte, löst das absurde Theater die höheren Werte quasi in einem Furz auf - und trifft damit die zeitlose Quintessenz machtpolitischer Ränkespiele erschreckend gut. Mit dieser Umkehrung von Shakespeares Königsdramen in eine derbe und groteske Komödie ist der Apfel vom Baum der Erkenntnis am Ende des Verdauungstraktes angekommen.

König Ubu ist noch am 25., 26.  und 28. Juni im Großen Haus zu sehen. Kartenreservierung unter Tel.: 08331/9459-16.