
Memmingen (dl). Vor gut einem Jahr erhielt der nordrhein-westfälische Bildhauer Egbert Broerken den Auftrag für ein Blindentastmodell von Memmingen (wir berichteten). Nun wurde das neue Stadtmodell auf dem Weinmarkt gegenüber der historischen Kramerzunft feierlich enthüllt und vom Lions-Club Memmingen, der das Modell stiftete, an die Stadt übereignet.
Musikalisch umrahmt vom Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr wurde das Modell der Memminger Innenstadt feierlich enthüllt von Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger, Lions-Präsident Dr. Reinhard Kössinger, vom Künstler und von Yvonne Burkhardt. Sie ist blind und überprüfte sogleich die Tauglichkeit des Blindentastmodells. Geschickt folgten ihre Finger dem Straßenverlauf und ertasteten die Namen von Straßen oder Plätzen, die auch in der Blindenschrift Braille gekennzeichnet sind. „Das Modell ist sehr gut“, urteilte Burkhardt spontan. „Ich habe mich schon manchmal gefragt, warum eine Straße an einer bestimmten Stelle enger oder breiter wird. Hier kann ich Engstellen nachvollziehen. Ich werde sicher öfter herkommen.“
36.000 Euro habe das Blindentastmodell gekostet, informierte Lions-Präsident Dr. Reinhard Kössinger, der das Projekt initiiert hat. Mit vereinten Kräften sei es gelungen, die komplette Summe durch Spenden der Lionsfreunde und weiterer Förderer aufzubringen. Neben der Finanzierung mussten zudem auch praktische Fragen geklärt werden. 14 Standorte in der Innenstadt seien geprüft worden, erläuterte Kössinger. Platziert wurde das Modell nun am Weinmarkt zwischen vier Platanen gegenüber der historischen Kramerzunft. Ein Standort, der auch für Stadtführungen günstig ist. „Ich werde mit meinen Gruppen hier anhalten“, erklärte Stadtführerin Sabine Rogg, die unter den Gästen der Feierstunde war. „Die geschichtliche Entwicklung der Stadt kann man wunderbar sehen an dem Modell."
„Vergolden Sie sich Memmingen“
„Vergolden Sie sich Memmingen“, ermunterte der Künstler die Umstehenden dazu, die kleinen Dächer, Häuser, Türme und Straßen möglichst oft mit den Fingern zu ertasten. „Es handelt sich um eine Goldbronze. Häufig berührte Stellen entwickeln mit der Zeit eine goldene Patina.“
„Das Bronzemodell ist eine Bereicherung für unsere schöne Altstadt“, betonte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger. Er dankte dem Lions-Club Memmingen für seine Initiative. „Das Stadtmodell ist nicht nur eine Touristenattraktion, sondern dient vor allem auch den Belangen unserer Mitbürger mit Sehbehinderung“, betonte er. Für Sehbehinderte und Blinde habe man bei der Sanierung der Fußgängerzone mit der Kanalspur in der Mitte des neuen Bodenbelags eine hilfreiche Leitspur vom Marktplatz bis zum Schrannenplatz geschaffen, erklärte Holzinger.
Das Bronzemodell hat rund eineinhalb Meter Durchmesser und wiegt nach Informationen des Künstlers etwa 130 Kilo. Deutlich schwerer sei der Betonsockel mit 3500 Kilogramm. Dargestellt ist die Innenstadt in einer aktuellen Ansicht der Jahre 2014 und 2015. „Man merkt am Stadtbild, dass Memmingen eine gewachsene Stadt ist“, erläuterte Broerken. „Es ist eines der schwierigsten Modelle gewesen, aber auch eines der schönsten, das ich gemacht habe.“ Über 120 Städte haben Broerken und seine Werkstatt in den vergangenen 20 Jahren bereits in Bronze gegossen.