Memmingen (as). „Wir brauchen Europa!“, lautete das Fazit des Vortrages des freien Journalisten und Politologen Ingo Espenschied vor 350 Schülern und Auszubildenden in der Aula des Vöhlin-Gymnasiums, verknüpft mit einem nachhaltigen Appell, zur Wahl zu gehen und der Aufforderung, eine demokratische und pro-europäische Partei zu wählen. Die Schüler lauschten aufmerksam und bekundeten ihr Interesse durch einige Fragen.
Zweimal Europa an einem Tag: Das Europabüro der Stadt Memmingen sorgte mit der am Abend vor etwa 100 Gästen wiederholten Veranstaltung „Das Europäische Parlament - Stimme der Bürger“ dafür, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) am 25. Mai ins Bewusstsein der Memminger Bevölkerung rücken.
Nach einer Einführung in die Thematik durch Alexandra Störl, Leiterin Europabüro, veranschaulichte der freie Journalist und Politologe Ingo Espenschied an Hand von Bildern und Filmmaterial Aufgaben und Struktur des Europaparlaments, seine Bedeutung im geschichtlichen Kontext seiner Entstehung sowie die heutige Kompetenz des Parlaments. Sein Publikum: SchülerInnen des Vöhlin- und des Bernhard-Strigel-Gymnasiums, der FOS/BOS, der staatlichen Wirtschaftsschule, der Johann Bierwirth-Schule sowie Auszubildende der Firma Magnet Schulz und der Stadt Memmingen.
„Hat das europäische Parlament etwas zu sagen? Brauchen wir Europa überhaupt? Lohnt es sich, zur Wahl zu gehen?“ - Mit diesen provokanten Fragen eröffnete Espenschied seinen Vortrag. Eingangs zeigte er tumulthafte Szenen, die sich bei der Ablehnung von ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) im Parlament abspielten (bei ACTA handelt es sich um ein Abkommen gegen Produktpiraterie, das von 38 Staaten hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde und in seiner Konsequenz Meinungsfreiheit und Datenschutz gefährdet hätte.)
Europa als "Garant für Transparenz und Demokratie"
Espenschied präsentiert das europäische Parlament mit seinem Grundsatz »Handeln. Mitmachen. Bewegen« als Garant für Transparenz und Demokratie.
Die Zahlen beeindrucken: 766 Abgeordnete aus 28 Nationen, jeder siebte davon aus Deutschland, vertreten die 500 Millionen Einwohner Europas in 24 offiziellen Amtssprachen. Anschaulich erläutert der Referent die Entwicklung des Europäischen Parlaments vom Schumann Plan 1950 über den Einbruch durch die Weltwirtschaftskrise und die NS-Zeit. Er erwähnt die radikale Reform durch den Verfassungsentwurf des italienischen EP-Abgeordneten Altiero Spinelli, der die »Eurosklerose“ der 70er Jahre überwinden sollte, und die Zunahme der Kompetenzen des EP bis zum heutigen Tage wie die Gesetzgebungsfunktion, die sich das Parlament mit dem Rat der Europäischen Union teilt. Detailliert erläutert er den jungen Zuhörern, wie Gesetzte auf den Weg gebracht und Kompromisse erarbeitet werden.
"Vom Debattierclub zum wichtigen Akteur"
"So hat sich das Europäische Parlament vom ehemaligen Debattierclub mit wenig Befugnissen zu einem wichtigen Akteur in Europa entwickelt", fasst Espenschied zusammen. Als Markstein des Durchbruchs im europäischen Einigungsprozess nennt er den Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat. "In der Gemeinschaft sind wir stärker als alleine“, zitiert der Politologe Martin Schulz (SPE), der dem Parlament seit 2012 vorsitzt. Europa garantiere dauerhaften Frieden und Stabilität, so Espenschied. "Es läuft nicht immer alles rund", wobei er vor allem die nationalen Interessen als Störfaktoren sieht, "aber die Richtung stimmt".
Die Jugendlichen, die den Vortrag aufmerksam verfolgt hatten, wollten wissen, wie das Parlament finanziert wird und welche Ziele die Parteien verfolgen, die gegen Europa sind Eine Frage bezog sich auf das Dilemma, das entsteht, wenn nationale Werte und Standards bei Entscheidungen des Parlaments nicht berücksichtigt werden. Die Empfehlung des Referenten: "Dann muss man sich eben der Mehrheit beugen."