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Ratgeber vorgestellt: "ICHlinge" - wie werden Kinder zu Teamplayern?

veröffentlicht am 25.10.2013

Dr. Valentin Kinderpsychologe Dr. Stephan Valentin erläutert die Ursachen kindlichen Egoismus. Foto: as

Memmingen (as). In den letzten 15 bis 20 Jahren sind Kinder egoistischer geworden, konstatiert der Kinderpsychologe und Romanautor Dr. Stephan Valentin. Die Ursachen dafür sieht er in Förder-Hysterie, Leistungsdruck, Erfolgszwang und Digitalisierung der Spiel- und Erlebniswelt. Etwa 170 Zuhörer besuchten den Vortrag des im kleinen Saal der Stadthalle, den die vhs Memmingen in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsstelle der Stadt und dem Bündnis für Familie im Rahmen der Gesundheitstage veranstaltete.

Kinder und Jugendliche seien heute, trotz Vernetzung, einsam wie nie, resümierte Dr. Valentin die Erfahrungen seiner Pariser Praxis. Sie säßen zu viel allein vor den Medien, bemerkten den andern immer weniger. Der erste Griff in der Schulpause sei der nach dem Handy. Das Netz bedeute Freiheit von den Leistungsanforderungen, Flucht in eine virtuelle Welt voller Spaß und Unterhaltung.

Die Eltern übertragen ihre Faszination für Bildschirmmedien auf den Nachwuchs: Fünf Prozent der Neugeborenen haben bereits eine E-Mail Adresse, sieben Prozent einen facebook-Account.  48 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen kommen allein ins Netz, aber nur neun Prozent der Sechsjährigen können allein ihre Schnürsenkel binden. Auch mit anderen Bindungen klappt es nicht mehr so, denn schon eine Stunde TV am Tag lässt soziale Kompetenzen abstumpfen. Die Kinder ziehen den virtuellen dem realen Kontakt vor, lernen nicht, sich in andere hinein zu fühlen, Respekt zu zeigen, zuzuhören, Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu schließen.

Auch Leitungsdruck und Individualismus mache die Kinder zu Einzelkämpfern – wer weiter kommen will, kümmert sich nicht um andere. Früh übt sich, wer ganz vorne dabei sein will. In Los Angelos gibt es sogar eine Uni für Föten. „Die Eltern haben Zukunftsängste“ erklärt Dr. Valentin.  Der Konkurrenzkampf beginne meist bereits im Babykurs. Jede Verzögerung der Entwicklung verunsichere. Förder-Eifer führt dazu, dass zwischen Kursen und Programmen kaum noch Freiraum zum Spielen bleibt. Dr. Valentin kritisiert auch das Schulsystem, dass neben Wissen auch menschliche Werte vermitteln und das Zusammenleben fördern sollte anstatt Druck und Versetzungsangst zu erzeugen: „Kinder müssen auch Fehler machen dürfen“.

Als dritten Ego-Faktor nennt der Kinderpsychologe den unsicheren Erziehungsstil. Eltern versuchen, ihre Kinder ernst zu nehmen, indem sie ihnen als gleichberechtigte Partner begegnen. Doch mit Entscheidungsgewalt und Mitbestimmung ist das Kind überfordert „Heutige Eltern haben Angst vor Spannungen und Konflikten“ - Verlustängste führen dazu, dass sie es vermeiden es, Regeln aufzustellen und Autorität auszuüben. Sie verwirren die Kinder durch unterschiedliche Reaktionen und  Botschaften, weichen Grenzen auf.

In seinem Ratgeber „ICHlinge“, der nach dem Vortrag reißenden Absatz bei den Pädagogen Lehrern und Eltern im Saal fand,  zeigt Dr. Valentin konkrete Möglichkeiten auf, Kinder in Elternhaus, Schule und Sportverein zu Teamplayern zu erziehen. Denn ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl sei entscheidend, damit aus Kindern glückliche Erwachsen werden.