Beim aktuellen Pressegespräch der IHK Schwaben Memmingen-Unterallgäu: (v. li.): Vize-Präsident Dr. Albert W. Schultz, Regionalvorsitzende Andrea Thoma-Böck und der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Markus Anselment. Foto: Sonnleitner
Memmingen/Unterallgäu (as). Erwartungsgemäß ernüchternd war die Bilanz der Corona-Krise, welche die Industrie- und Handelskammer Memmingen-Unterallgäu den Medienvertretern nun bei einem Pressegespräch vorstellte. Die Auswirkungen auf die schwäbische Wirtschaft und auf die Firmen in der Region durch den Stillstand seit Mitte März sind gravierend.
Eine Umfrage der IHK Schwaben, an der sich auch etwa 270 Unternehmen aus der Stadt Memmingen und dem Landkreis Unterallgäu beteiligten, ergab, dass nur noch 23 Prozent ihre Geschäftslage als „gut“ beurteilten, im Herbst 2019 waren es noch 42 Prozent. Fast die Hälfte erwartet eine weitere Verschlechterung. 70 Prozent der Allgäuer Unternehmen gehen von einem Umsatzrückgang aus.
"Negative Auswirkungen quer durch alle Branchen“
„Es gibt negative Auswirkungen quer durch alle Bereiche und Branchen“, erklärte die IHK-Regionalvorsitzende Andrea Thoma-Böck. „Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden spürbar sein .“ Am schwersten betroffen sind Tourismus, Gastronomie und Hotellerie, aber auch der Einzelhandel und das Transportgewerbe. Produzierende Unternehmen kämpfen mit unterbrochenen Lieferketten und schwächelnden Exportmärkten. „Wir sind sehr stark vom Export abhängig hier in der Region“, gab Vize-Präsident Dr. Albert W. Schultz zu bedenken.
30 Prozent der Allgäuer Unternehmen melden eine „schlechte bis existenzbedrohende Situation“. Insolvenzen habe es bislang jedoch keine gegeben, was allerdings auch den Lockerungen der Insolvenzregeln geschuldet sein kann: Rückwirkend zum 1. März wird die Insolvenzantragspflicht bis 30. September 2020 ausgesetzt. „Was ab Oktober passiert, wissen wir nicht“, gab Markus Anselment zu bedenken. „Doch ich rechne nicht mit vielen Insolvenzen in der Region, da wir eine sehr starke Industrie haben.“
"Kurzarbeitsregelung auf 24 Monate ausweiten"
Es gibt auch ermutigende Nachrichten. „Der Wiederaufschwung kommt“, versicherte Dr. Schultz. Allerdings schätzt er, dass es voraussichtlich noch zwei Jahre dauern wird, bis das vorherige Produktionsniveau erreicht ist. In dieser Zeit sei es zentral wichtig, die Fachkräfte bei der Stange zu halten. Deshalb lautet eine der Forderungen der IHK an die Bundesregierung für den Restart aus der Krise, die Corona-Kurzarbeitsregelung auf insgesamt 24 Monate auszuweiten.
„Die Kurzarbeit hat sich als hervorragendes Instrument zur Beschäftigungssicherung in der Krise erwiesen“, lobte Albert Schultz die Maßnahme der Regierung. Auch beim Memminger Unternehmen Magnet-Schultz waren im April 90 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit. Nach wie vor wird in einigen Abteilungen lediglich an drei Tagen in der Woche gearbeitet, „doch jetzt läuft die Produktion wieder rund“, verkündete der Firmenchef. Insgesamt nutzten rund 7.000 Allgäuer Firmen das Instrument der Kurzarbeit, um einen Stellenabbau zu vermeiden.
Lieferketten mehr kontinental und regional ausrichten
Weitere Forderungen der im Rahmen der IHK-Umfrage befragten Firmen an die Bundes- und an die Landesregierung sind vermehrte Investitionen in Digitalisierung, eine Senkung der Energiekosten, verbesserte Abschreibungen - „sowie die längst fällige Senkung der Unternehmenssteuer“, ergänzte Andrea Thoma-Böck. Die Firmen müssten auch ihre Lieferketten prüfen und sich mehr kontinental und regional orientieren. “Wir stellen die Globalisierung nicht infrage", sagte Thoma-Böck auf die Frage eines Medienvertreters, “doch es wird Veränderungen geben“.
Kein flächendeckender Lockdown mehr
„Nie mehr Lockdown“ brachte die Regionalvorsitzende die unabdingbare Voraussetzung für eine Regeneration der Wirtschaft auf den Punkt. „Die Sofortmaßnahmen der Regierung zu Überbrückung waren super“, die staatliche Unterstützung sei jedoch doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Die Unternehmen stehen jetzt schon mit dem Rücken zur Wand, ein zweiter Lockdown ist nicht zu bewältigen“, bekräftigte Thoma-Böck. Im Falle einer weiteren Corona-Welle im Herbst dürfe nur lokal gegengesteuert werden so wie es aktuell in Nordrhein-Westfalen geschieht.
"Nicht an Aus- und Weiterbildung sparen!"
Durch Corona gelitten hat auch die Ausbildungssituation. Im Vergleich zum Vorjahr haben bis Mai 2020 etwa 20 Prozent weniger junge Menschen eine Ausbildung begonnen. Rückläufig ist die Zahl der Auszubildenden besonders in kleineren Ausbildungsbetrieben. Dies sei eine bedenkliche Entwicklung. „Wir dürfen bloß nicht anfangen, an Aus- und Weiterbildung zu sparen“, warnt Dr. Albert Schultz, der auf eine Nivellierung der Situation bis Ende des Jahres hofft. Die IHK plant in Kürze, eine Nachvermittlungsinitiative zu starten.
Auch an die Stadt Memmingen und den Landkreis Unterallgäu appelliert Schultz, an alle Schulen zu denken, „auch die Berufs- und Technikerschulen“, und eine funktionierende digitale Infrastruktur zu schaffen. „Die Bildung und Qualifizierung heimischer Fachkräfte ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung am Standort“, so Schultz. „Auch die duale Ausbildung bleibt wichtig.“