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"Mystik im Mittelalter" - die wahre Liebe zu Gott kennt keine Konfession

veröffentlicht am 05.10.2013

Im Bruderchor der Klosterkirche kam vor allem die heilige Katharina von Siena zu Wort. Fotos: A. Marx Im Bruderchor der Klosterkirche kam vor allem die Heilige Katharina von Siena zu Wort. Fotos: A. Marx

Memmingen (as). Wo ließe sich „Mystik im Mittelalter“ wirkungsvoller inszenieren als in der Reichskartause zu Buxheim? Mit liturgischer Musik, dargeboten von Harald Urban (Bariton), Günter Schwanghardt (Klarinette) und dem Ensemble Chordiale, entführten die Veranstalter, die vhs Memmingen und der Heimatdienst Buxheim e.V, ihr Publikum in spirituelle Sphären. Nahrung für die Gedanken boten szenisch aufbereitete Textauszüge aus Christen-, Judentum und Islam (Sufismus), vorgetragen von Mitgliedern des „Ensemble Mystik.“

Charly Pagani führte als Erzähler durch den Abend. Charly Pagani (Ensemble Mystik) führte als Erzähler durch den Abend.

Etwa 90 Zuschauer haben sich im Kreuzgang der Reichskartause Buxheim versammelt. Sie warten darauf, zur ersten Station der Lesung geführt zu werden. Endlich erscheint der Erzähler (Charly Pagany), in eine schwarze Kutte gehüllt. Er fordert die Wartenden auf, ein Spalier zu bilden. Vom Ende des Ganges nähert sich eine Gestalt, Musik erklingt. Der Klarinettist Günther Schwanghardt bewegt sich langsam auf die Menge zu. Geradezu ehrfürchtig lauschen die Gäste nun dem hymnischen Gesang des Chores „Ensemble Chordiale“, der jetzt ertönt. In zwei Gruppen aufgeteilt, folgen die Besucher dem Erzähler durch den schwach erleuchteten Kreuzgang in den Priesterchor der barocken Saalkirche St. Maria, der den größten Schatz des Klosters beherbergt:  Das barocke Chorgestühl, das Ignaz Waibl gegen Ende des 17. Jahrhunderst schuf.

Umrahmt vom liturgischen Gesang Harald Urbans, trägt das "Ensemble Mystik" ein Gespräch zwischen Schwester Katrei und ihrem Beichtvater aus einem Traktat vor, das um 1320 im Umfeld des Theologen und Philosophen Meister Eckhart entstand. Katrei schildert darin ihre Anschauung Gottes, die sie in einer Trance erfuhr. Dann folgen die Zuhörer dem Erzähler zur nächsten Station in den Vorraum des Refektoriums. Zeitlich gesehen, geht es zurück ins 2. Jahrhundert, wo Rabbi Schimon u. a. mit dem Propheten Elia über das Wesen der Thora und den Ursprung des Menschen  spricht.

Beim Betreten des imposanten Bruderchores der Klosterkirche befindet man sich dann wieder im Mittelalter. Umrahmt von christlichen Liedern, Gitarre, Flöte und Klarinette, stehen hier zwei christliche Heilige im Mittelpunkt: Franz von Assisi, Begründer des Franziskaner-Ordens, und die italienische Mystikerin und Prophetin Katharina von Siena (1347 bis 1380) - von Gott berufene Beraterin und Kritikerin zweier Päpste. Erstaunlich modern ist der Aspekt des freien Willens als eine Kernaussage ihrer "Gespräche mit Gott".

Einen wesentlich geringeren Umfang als die christliche, nimmt die islamische Mystik im zweiten Teil des Programms ein. Zwei Sufis erläutern den gleichnishaften Chrarakter einer Ode, die das „Versinken in das göttliche Wesen“ in sinnlich-erotischer Sprache beschreibt.  In der letzten Szene spannt die Inszenierung schließlich den Bogen von der islamischen Mystik Rabia von Basras (ca. 714 bis 801) zum "Hohelied der Liebe" König Salomons, der in ebenso bildhafter Sprache die Schönheit der/des Geliebten preist und mit dem Liebesakt die wahre Liebe zu Gott beschreibt: „Die wahre Liebe zwischen Mann und Frau findet ihren Höhepunkt in der Liebe zu Gott“, so der weise König Salomon.

Hatte das Programm auch seine Längen, so erlebten die Zuschauer doch eine beachtliche Inszenierung der Gedanken- und Gefühlswelt dreier großer Weltreligionen, wie man sie in dieser Form sicherlich selten sieht. Es wurde deutlich, dass die bis heute in Kriegen und Konflikten gefangenen Glaubensformen eine gemeinsame Wurzel im mystischen Erleben göttlicher Wahrheit haben. So gesehen, ist die Reihe "Mystik im Mittelalter" auch ein Beitrag zu religiöser Toleranz.