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Heile Welt mit Schlagseite - “Unser Dorf soll schöner werden” im Studio des Stadttheaters

veröffentlicht am 31.10.2013

Hubert Fängewisch Ein Mann mit vielen Talenten: Hubert Fängewisch (Peter Höschler) präsentiert dem Publikum stolz die Fahne der Knappenkapelle. Fotos: Landestheater Schwaben/ Forster

Memmingen (as). Das Jahr 1992 markierte mit 27 Todesopfern den Gipfel rechtsextremer Gewalt in Deutschland. Ein Jahr später schrieb der Autor und Regisseur Klaus Chatten seine Ruhrpott-Realsatire  “Unser Dorf soll schöner werden”, in welchem er es dem bier(un)seligen Protagonisten selbst überlässt, sich um Kopf und Kragen zu reden. Denn "schöner" heißt für Kumpel Hubert Fängewisch (Peter Höschler) immer noch „deutscher“.   

Hubert Fängewisch leidet unter chronischem Fußschweiß. Oder "Maukenmuffeln", wie es der derbe "Ruhrpottler" nennt. Das Bühnenbild von Sabine Manteuffel zeigt den 70-jährigen in kleinkariertem Hemd in seinem Lieblingssessel, die Füße im Fichtennadelbad – umrahmt von seiner 70er Jahre Spießeridylle zwischen Geranientopf, Hawaii-Poster und einer großgemusterten Tapete, die an den Rändern Brandspuren zeigt. Später erfährt der Zuschauer - stiller Teilhaber seines, vom Bier nicht eben seliger werdenden, Selbstgesprächs - von den Brandstifter-Aktionen des Sohnes Dirk, die sich so destruktiv auf das Familienschicksal auswirkten. Qualmen dem Hubert deshalb die Füße?

Dreck am Stecken

Hubert Fängewisch plaudert über alte Zeiten Starkes Solo des Kölner Schauspielers Peter Höschler.

Gewissermaßen, denn Hubert Fängewisch hat Dreck am Stecken. Und der Fichte, Deutschlands häufigster Baumart, sagt man nach, dass sie dem Gebeugten wieder Zuversicht verleihe. Hubert Fängewisch ist gebeugt und gebeutelt - „nach Strich und Faden beschissen worden" um sein Leben, meint er.

Dabei hätte es ein so schöner Abend werden können: Seine Frau Mia ist beim Basteln, der Kasten Pils steht bereit, doch das Fernsehprogramm versagt: Kein Sport, kein Western, kein Kriegsfilm. Aller Ablenkungen ledig, zeigt Hubert seinem Publikum Dias von früher, als sein Leben im "Golddorf" Maunke noch in Ordnung war. Fängewisch war Fahnenträger bei der Knappenkapelle, ehrenhaftes Mitglied beim Heimatverein, Sonntags-Dichter und Party-Kanone. Und dann wurde er zum Helden der Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“. Und "schöner", das hieß "deutscher". Die Türken wurden blond gefärbt und Widerständler weichgekocht. Mit Erfolg! Vielleicht würde heute noch das ganze Dorf Hitlers Geburtstag in seinem Hobbykeller feiern, wenn der ungeliebte Sohn Dirk, der Stotterer, der früher das Bett vollgepisst hat, am 3. Oktober nicht zugeschlagen hätte....

Fast anrührende Intensität

Der (hier und da etwas mit dem "Ruhrpott-Slang" kämpfende) Kölner Schauspieler Peter Höschler spielt den unbelehr- und bekehrbaren Fängewisch mit all seinen Bruchstellen in fast anrührender Intensität, was der Inszenierung des Autors einerseits zugutekommt, ihr allerdings auch Bitterkeit und Biss nimmt. Ohne zu ent-schuldigen, zeigt der Monolog dergestalt nicht nur die Schuld des alten Nazis, die in seinem abgelehnten Sohn Sprengkraft entwickelt, sondern auch die innere Gebrochenheit von Menschen, die, vom Wunsch nach Einssein, Stärke und Macht getrieben, ihr Heil in radikalen Ideologien suchen. Rundheraus ablehnen tut das Publikum ihn nicht, den Fängewisch. Und schließlich lebt seinesgleichen ja auch weiter in der Nachbarschaft, Unerkannt? Na ja, vielleicht hat man auch mal weggesehen, wenn’s bequemer war – so wie früher...

Weitere Termine: 1., 8., 10., 12., 15. und 21., 22., 24. und 28. November sowie 5., 10.  und 18. Dezember.

Kartenreservierung unter Tel.: 08331/9459-16.