Atemberaubend: Das Duo „Sos und Victoria Petrosyan“ hält den Weltrekord in "quick change" (Kostümwechseln). Fotos: Sonnleitner
Wirtschaftswissenschaftler Dr. Freytag spricht auf IHK-Maiempfang
Erkheim (as). Im Mittelpunkt des Maiempfangs der IHK-Regionalversammlung Memmingen und Unterallgäu in der HausSchneiderei der Holzbaufirma Bau-Fritz stand der Vortrag von Professor Dr. Andreas Freytag zum Thema „Populismus im Aufschwung – Folgen für die Wirtschaftspolitik“. Doch neben kritischen Tönen gab es auch zauberhafte Unterhaltung.
So staunten die geladenen Gäste über die atemberaubenden Verwandlungskünste des Duos „Sos und Victoria Petrosyan“, das den Weltrekord im Kostümwechseln hält.
Zu Wort kamen neben der Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer auch zwei Azubis der Firma Baufritz, die frisch, forsch und charmant über ihre Ausbildung plauderten: „Wir können auch eigene kleine Projekte umsetzen und Ideen einbringen“.
Viel Applaus ernteten die beiden Bau-Fritz-Azubis, die frisch und frei über ihre Ausbildungen als Bauzeichnerin und Zimmerin sprachen.
Ikea "ja", Fachmärkte "nein"
In einem Gespräch mit Moderator Heinz Wendel erläuterte Gerhard
Pfeifer als ihr stellvertretender Präsident die Position der IHK Schwaben zur
geplanten Ikea-Ansiedlung: „Ikea ist
uns willkommen. Äußerst kritisch sehen wir jedoch die Ansiedlung von
Fachmärkten auf einer Einzelhandelsfläche, die fast so groß ist wie die gesamte
Verkaufsfläche im Stadtgebiet“, so Pfeifer. Dies gehe zu Lasten des städtischen
Einzelhandels und der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. „Außerdem fordern
wir die Überarbeitung der Verkehrssituation in der Einfahrt und am Kreisel bevor Ikea sich ansiedelt “, ergänzte er.
Ursachen des Populismus
Um Wirtschaftspolitik in größerem Maßstab ging es in dem Vortrag
von Andreas
Freytag. Der Professor für
Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bezeichnet
„das
Versagen der Demokratie und ihrer Repräsentanten“ als Ursache des
wachsenden Populismus,
gegen den es die offene Gesellschaft zu verteidigen gälte. Die Politiker
hätten die Verlierer des Strukturwandels vernachlässigt, es gäbe nicht
genug Chancen und
Bildungsangebote. Durch den fehlenden Konsenz in der
Einwanderungspolitik
sei zudem die Integration „als Bring- und Holschuld“
nicht vernünftig umgesetzt worden.
All diese Faktoren bieten den Nährboden für „das Spiel mit der Angst“ extremer politischer Kräfte, welche die Furcht vieler Bürger vor (Sicherheits-)Verlust und Überfremdung mit einfachen, aggressiven Thesen kanalisieren und ein „Wir-gegen-die“-Gefühl erzeugen. Denn die Eigenverantwortung im Zuge der Individualisierung der Gesellschaft überfordere viele Menschen, meint Freytag. Ein großes Problem sei auch der Verlust des Vertrauens in Eliten und Autoritäten, zu dem u.a. die Bankenrettung und die Gehalts-Exzesse auf Manager-Ebene beigetragen hätten.
Abschottung und Ablehnung des Freihandels
Gemeinsame Agenda des Populismus rechter und linker Kräfte sei die Abschottung und die Ablehnung des Freihandels und offener Märkte. Als Beispiel nennt Freytag die protektionistischen Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump, die kurzfristig Erfolg brächten, auf lange Sicht jedoch zu Wohlstandverlust führten. Trump müsse lernen, dass kein bilateraler Deal mit einzelnen europäischen Staaten möglich sei. Es könne nur Verträge mit der gesamten EU geben. Der Umgang mit Populisten wie Trump erfordere „Ruhe, Unaufgeregtheit, Beharrungsvermögen und Selbstkritik“.
„Es wird nicht einfach, den Populismus zu überwinden“,
prognostiziert Freytag schließlich, doch solle man Populisten nicht ausgrenzen, sondern
sich ihren Argumenten als "Ausdruck gelebter Demokratie" stellen.
Als
Grundrezepte
für den Erhalt der offenen Gesellschaft nannte der Wissenschaftler eine
"Renaissance der Ordnungspolitik",
den Abbau von Subventionen und Bürokratie, eine Reform der Steuer- und
der Einwanderungspolitik
sowie ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“. Außerdem gälte
es, die
Rolle der Unternehmer zu stärken und Verteilungsfragen zu diskutierten.
Grundsätzlich müsse in der
Wissenschaft mehr inhaltlich als formal geforscht werden, die deutsche
Wirtschaftspolitik benötige jedoch eine wissenschaftliche Grundlage.
„Soziale Marktwirtschaft scheint mir wichtiger zu sein denn
je“, schloss Professor Freytag seinen Vortrag.
Unser Vorschaubild zeigt Gerhard Pfeifer, stv. Präsident der IHK Schwaben, Bau-Fritz-Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer, Prof. Dr. Andreas Freytag, Klaus Rudolph, Vizepräsident der IHK Bodensee-Oberschwaben und Markus Anselment, stv. Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben.